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Fürsorgepflicht von Arbeitgebern

Arbeitgeber ratlos -

Fürsorgepflicht auf dem Prüfstand?

Vor Corona schien es, als seien die Fürsorgepflichten der Arbeitgeber weitgehend klar. Im Zuge der weltweiten Pandemie steht nun die Wirtschaft vor neuen Herausforderungen in Sachen Mitarbeitergesundheit und Sicherheit: Unternehmen fragen sich, ob Impfungen und Tests vorgeschrieben werden dürfen und wie sie Mitarbeitende bei Dienstreisen und Entsendungen schützen sollten.

Für MitarbeiterInnen, die in Deutschland tätig sind, hat der Arbeitgeber nicht das Recht, eine Impfung gegen COVID-19 zu fordern. Eine Impfpflicht in Deutschland besteht in der Regel nicht und ist auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Arbeitsvertrag durchsetzbar, sondern ausschließlich durch ein Gesetz. Auch die Gewährung von Vorteilen wie Impfprämien sind vor diesem Hintergrund sehr kritisch zu sehen. Denkbar ist es, im Rahmen eines Hygienekonzepts bestimmte Räumlichkeiten, in denen keine Maske getragen werden kann, für „2G“ oder „2G+“ zu öffnen. Dies kann etwa die Kantine sein. Dies setzt allerdings voraus, dass die verbleibende Mitarbeitergruppe zumindest das Essen „ToGo“ erhalten kann.

Außerhalb Deutschlands

Werden Mitarbeitende im Ausland eingesetzt (Dienstreise oder Entsendung), besteht eine Impfpflicht, wenn im Zielland eine Impfung gesetzlich vorgeschrieben ist. Ebenso können Testungen der reisenden MitarbeiterInnen durchgesetzt werden, wenn im Zielland eine Testpflicht besteht oder eine Testung zum Antritt oder zur Durchführung des Auslandseinsatzes erforderlich ist.

Zu diesen Schlüssen kommen die Autorinnen und Autoren von KPMG Law und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in dem von der International SOS Stiftung herausgegebenen Praxisleitfaden „COVID-19 – Was hat sich im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verändert?“ Der Leitfaden veranschaulicht, wie die Fürsorgepflichten von Arbeitgebern unter Pandemiebedingungen aussehen, insbesondere auch für Dienstreisen und Entsendungen.
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Werden Mitarbeitende im Ausland eingesetzt, besteht eine Impfpflicht, wenn im Zielland eine Impfung gesetzlich vorgeschrieben ist.

Dr. Stefan Eßer

„Neben den bereits vor der Pandemie vorhandenen einschlägigen Gesetzen und Regelungen ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die jeweils geltenden COVID-19 Arbeitsschutzregularien einzuhalten.“

Foto: Mario Andreya

Pandemie ändert einiges

Während es bis zum Jahr 2020 schien, als sei in diesem Bereich die rechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber weitgehend geklärt, hat sich dies durch die Coronapandemie geändert. Für den einzelnen Arbeitnehmer ist der Aufenthalt in ihm fremden Räumlichkeiten gemeinsam mit Kollegen mit einem Ansteckungsrisiko und damit dem Risiko der Erkrankung an COVID-19 verbunden. Für den Arbeitgeber stellt sich neben der Fürsorgepflicht für die Kollegen das Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs, der Einhaltung von Lieferversprechen und die Sorge vor Schließungs- und Quarantäneanordnungen.

Unstreitig ist das Fortbestehen der oben genannten Fürsorgepflichten des Arbeitsgebers im Rahmen von Auslandseinsätzen. So muss er weiterhin diese Pflichten sowohl im Rahmen von Dienstreisen nachkommen als auch bei längerfristigen Einsätzen, wie klassischen Entsendungen, die in der Regel auf der Basis eines aktiven deutschen Arbeitsvertrags und einer ergänzenden Entsendevereinbarung erfolgen. Dasselbe gilt auch bei Einsätzen, bei denen der deutsche Arbeitsvertrag ruhend gestellt wird und ein lokales Arbeitsverhältnis mit der Gastgesellschaft vorübergehend begründet wird. Zwar ruhen in diesem Fall die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis für den Zeitraum des Einsatzes, Nebenpflichten wie die Fürsorgepflichten bleiben hiervon unberührt.

Fürsorgepflicht im Ausland

Im Gegensatz zu den Fürsorgepflichten im Inland sind Fürsorgepflichten des Arbeitgebers im Ausland vom Umfang her seit eh und je mit wenig klaren Konturen versehen. Zwar beruhen auch diese auf den gleichen Rechtsgrundlagen wie die Fürsorgepflichten im Inland, dennoch erfahren sie einige Modifikationen – unter anderem aufgrund der Tatsache, dass die potenziellen Gefährdungen im Ausland liegen. Dies erfordert zwingend die Beachtung der dortigen Umstände. Aufgrund dieser Besonderheiten werden betroffene Mitarbeiter im Rahmen von Auslandseinsätzen in einem besonderen Maße als schützenswert angesehen. Hinzu kommt die Verpflichtung zur Beachtung ausländischer Gesetze mit der Folge, dass Fürsorgepflichten des Arbeitgebers im Ausland unter Umständen eine Modifikation erfahren.
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Durch die Verpflichtung zur Beachtung ausländischer Gesetze können Fürsorgepflichten des Arbeitgebers im Ausland eine Modifikation erfahren.

Vorschriften ändern sich laufend

„Zu mehr Rechtssicherheit hat die Coronapandemie keinesfalls beigetragen“, befinden die Autorinnen und Autoren des oben genannten Leitfadens. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers findet in verschiedenen Gesetzen ihren Niederschlag, ist zu großen Teilen jedoch richterrechtlich geprägt. Neben den bereits vor der Pandemie vorhandenen einschlägigen Gesetzen und Regelungen ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die jeweils geltenden COVID-19 Arbeitsschutzregularien einzuhalten. Hierbei ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Denn zum einen können sich die Regelungen in den einzelnen Bundesländern unterscheiden (und tun dies auch). Zum anderen ändern sich die geltenden Vorschriften in einer außergewöhnlichen Geschwindigkeit kontinuierlich entsprechend den staatlichen Reaktionen auf das Infektionsgeschehen.

Dr. Stefan Eßer 
Ärztlicher Leiter für Zentraleuropa
bei International SOS