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Quiet Quitting: Dauerhaftes Phänomen oder TikTok-Trend?

Quiet Quitting: Dauerhaftes Phänomen oder TikTok-Trend?

The Big Quit, auch Great Resignation genannt, hat Deutschland zwar noch nicht erreicht. Doch viele Arbeitnehmer sind frustriert und als Quiet Quitter nicht gewillt, auch nur einen Handschlag mehr zu tun, als vertraglich vereinbart. Woran liegt das und wie können Unternehmen dagegen steuern?

Im Zuge der Coronapandemie stellten so viele Menschen wie nie ihr Arbeitsverhältnis infrage. Insbesondere in den USA schmissen Millionen Arbeitnehmer ihre Jobs hin. Getrieben durch die Krise spielten und spielen immer noch auch hierzulande nicht wenige Menschen mit dem Gedanken, sich beruflich zu verändern und den Arbeitsplatz zu wechseln. Ein großer Teil von ihnen hat es getan, doch die von manchen Medien angekündigte riesige Kündigungswelle ist bisher ausgeblieben. Steht sie uns womöglich noch bevor?
Der Frage, ob sich die große Resignation auch in Deutschland verbreiten könnte, ist RingCentral nachgegangen. Im Rahmen einer Studie in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen IPSOS untersuchte der Anbieter von Cloud-Kommunikations- und Collaboration-Lösungen, wie zufrieden deutsche Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitsverhältnis sind und wie es aktuell um ihre Motivation steht. Dabei wurden vom 30. September 2022 bis zum 11. Oktober 2022 insgesamt 1.001 Arbeitnehmer in Deutschland im Alter von 21 bis 65 online befragt – darunter 535 Frontline-Mitarbeiter und 466 Wissensarbeiter.
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Big Quit? Laut Experten haben Deutschlands Unternehmen derzeit keine große Anzahl an Kündigungen durch ihre Mitarbeiter zu befürchten.
An der Umfrage nahmen auch jeweils 1.002 Arbeitnehmer in den USA, Großbritannien, Australien und Frankreich teil. So kamen insgesamt 5.009 Beschäftigte zu Wort.

Deutschlands Unternehmen haben derzeit keine große Anzahl an Kündigungen durch ihre Mitarbeiter zu befürchten, fand die RingCentral Studie heraus. Nur vier Prozent der befragten Angestellten planten aktiv, ihr Arbeitsverhältnis zu beenden. Knapp die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer (45 Prozent) denke aktuell nicht über eine Kündigung nach. Rund 44 Prozent verfolgten diesen Gedanken gelegentlich, oft hätten diesen Gedanken lediglich acht Prozent.
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Deutschland: Hier soll es die wenigsten Quiet Quitter geben.
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Mitarbeiterzufriedenheit: Im internationalen Vergleich schneiden Großbritannien (mit 60 Prozent) und Australien (mit 56 Prozent) dabei besser ab als Deutschland.
Deutschland noch wenig betroffen

Was den internationalen Vergleich angeht, sieht es laut Untersuchung so aus, als ob Deutschland am wenigsten von der „Great Resignation“ bedroht sei: In Frankreich planten aktuell acht Prozent der Befragten ihr Arbeitsverhältnis zu beenden, in Australien neun Prozent, in Großbritannien sogar zehn Prozent.

Auch wenn die große Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer nicht vorhat, ihr Unternehmen zu verlassen, gibt dennoch ein Drittel (34 Prozent) zu, im Moment nur noch das Notwendige für den Job zu tun und ordnet sich somit dem Trend „Quiet Quitting“ zu.

Ausweg aus dem Hamsterrad

Der Ausdruck „Quiet Quitting“ wurde von „Zaid Leppelin“ in den USA geprägt, erläutert das Portal Karrierebibel.de und zitiert die Definition des Tiktokers: „Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“ Kurz: Die stille Kündigung sei ein Ausweg aus dem Hamsterrad.
„Der Begriff Quiet Quitting, zu Deutsch ‘stille Kündigung’, kann dabei schnell in die Irre führen. In erster Linie bedeutet er nur, dass Arbeitnehmer entscheiden, nicht mehr zu tun, als vertraglich vorgesehen ist. Sie ziehen also klare Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben, machen zum Beispiel pünktlich Feierabend und keine Überstunden mehr“, erklärt Thomas Nicolaus, Area Vice President Sales DACH bei RingCentral. „Das heißt aber nicht automatisch, dass sie ihre Arbeit nicht mehr gern tun oder nicht mehr engagiert und motiviert während der Arbeitszeiten tätig sind. Problematisch wird es, wenn Quiet Quitting eine direkte Reaktion auf eine Unzufriedenheit am Arbeitsplatz ist, weil ineffiziente Prozesse oder Kommunikationsstrukturen beispielsweise Mehrarbeit erfordern.“

Diese Einstellung ist den Studienverfassern nach insbesondere bei den jüngeren Altersgruppen verbreitet. So bezeichneten sich 49 Prozent (beinahe die Hälfte) der 21- bis 34-Jährigen selbst als Quiet Quitter. Dies nehme allerdings mit zunehmendem Alter ab. Dem Trend ordneten sich „nur“ 39 Prozent der 35- bis 44-Jährigen, 25 Prozent der 45- bis 54-Jährigen und 18 Prozent der 55- bis 65-Jährigen zu.

In Deutschland soll es übrigens die wenigsten Quiet Quitter geben. In Frankreich und Australien gehörten jeweils 40 Prozent dazu, in Großbritannien ganze 44 Prozent.
Doch wo liegen die Gründe für die Verbreitung dieses Phänomens?

„Quiet Quitting ist zum einen das Resultat aus einem gesellschaftlichen Wandel, der persönliche Erfüllung mehr im Privaten als in der Karriere sieht“, schildern die Studienautoren. „Zum anderen scheint das Phänomen auch Ausdruck einer gewissen Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu sein. Die aktuelle Studie zeigt, dass nur jeder zweite Deutsche wirklich zufrieden mit seinem Arbeitsverhältnis ist. Nur 49 Prozent bezeichnen sich als ,sehr zufrieden‘ oder ,äußerst zufrieden‘. 27 Prozent der deutschen ArbeitnehmerInnen sind mäßig zufrieden, 24 Prozent sogar wenig oder nicht zufrieden.“
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Quiet Quitting: Diese Einstellung ist laut Studien insbesondere bei den jüngeren Altersgruppen verbreitet.
Hybride Arbeitsmodelle gewünscht

In den Befragungsergebnissen scheine sich zudem ein Schlüssel für Unternehmen zu verbergen, die für mehr Zufriedenheit bei ihren Mitarbeitenden sorgen wollen: 59 Prozent – und damit deutlich mehr als der Durchschnitt – der Angestellten, die sich in einem hybriden oder einem Remote-Modell befinden sind laut der Studie sehr oder äußerst zufrieden.
Im internationalen Vergleich schneiden Großbritannien (mit 60 Prozent) und Australien (mit 56 Prozent) bei der Mitarbeiterzufriedenheit besser ab als Deutschland: 49 Prozent der Arbeitnehmer bezeichnen sich hier als zufrieden mit ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis. Nur Frankreich reiht sich mit 44 Prozent unterhalb von Deutschland ein.

Zwar ist der Begriff Quiet Quitting relativ neu, die Einstellung, die er beschreibt, ist es hingegen keinesfalls. Schon lange gibt es Menschen, die nur noch Dienst nach Vorschrift leisten oder sogar innerlich gekündigt haben, weil sie in ihrer Arbeit keinen Sinn mehr sehen, oder mit ihren Arbeitsbedingungen nicht zufrieden sind. Doch inzwischen verfügen Arbeitgeber über Möglichkeiten, ihren Beschäftigten entgegenzukommen und bestimmte Anforderungen zu berücksichtigen.
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Arbeitgeber aufgepasst: 59 Prozent – und damit deutlich mehr als der Durchschnitt – der Angestellten, die sich in einem hybriden oder einem Remote-Modell befinden, sind laut der RingCentral-Studie sehr oder äußerst zufrieden.
„Der Trend zum hybriden Arbeiten ist ungebrochen. ArbeitnehmerInnen von heute wünschen sich flexible Arbeitsorte und -zeiten sowie mehr Freiraum für ihr Privatleben. Gerade vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels müssen Unternehmen diesen Wünschen begegnen, um MitarbeiterInnen zufriedenzustellen und im Unternehmen zu halten“, kommentiert Nicolaus. „64 Prozent der Mitarbeitenden, die sich in hybriden oder Remote-Modellen befinden, erachten hierfür auch flexible Kommunikationstools als notwendig, um mit KollegInnen an anderen Standorten zu interagieren und den Job zu erledigen.“ Unified Communications as a Service (UCaaS) werde damit zu einem wichtigen Geschäftstrend im Jahr 2023. Gleichzeitig sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter jedoch nach wie vor ermutigen, im Büro zusammenzukommen. Der persönliche Austausch, über den Tisch hinweg, könne beispielsweise dazu beitragen, Probleme effizienter zu lösen, Entscheidungen schneller zu treffen oder gegenseitig voneinander zu lernen.

Dass verschiedene Ansätze kombiniert werden sollten, um Quiet Quitting zu verhindern, findet auch die Spendit AG – das Unternehmen bietet digitale Lösungen im Bereich der Mitarbeiter-Benefits, um sowohl die Arbeitgeberattraktivität als auch die Mitarbeitermotivation zu steigern. „Führungskräfte müssen sich an die neuen Arbeitsbedingungen anpassen und neue Strukturen in Unternehmen etabliert werden. So fördern Betriebe, dass Mitarbeiter sich ihrer Arbeit wieder verbunden fühlen und in ihrem Beitrag zum Erfolg wertgeschätzt“. Dazu seien grundlegende Elemente wie Anpassung von Lohn und Zusatzleistungen an die Preissteigerungen ebenso geeignet wie die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort.

Graziella Mimic

INFO

Um Quiet Quitting zu verringern, empfiehlt die Spendit AG, ein Anbieter von digitalen Lösungen im Bereich der Mitarbeiter-Benefits, den Unternehmen folgende Maßnahmen:

  1. Remote Work oder hybride Arbeitsmodelle: Mitarbeiter können bei hybrider Arbeit frei wählen, ob sie im Büro oder von zu Hause aus arbeiten wollen.
  2. Flexible Arbeitszeiten: Die Pandemie zeigte, dass sich die meisten digitalen Geschäfte überall und zu jeder Zeit erledigen lassen. Flexible Arbeitszeiten ermöglichen es Mitarbeitenden, ihren Alltag freier zu gestalten.
  3. Gesundheits-Zusatzleistungen: Um produktiv zu arbeiten, ist eine allgemeine Gesundheit wichtig. Dies fördern Arbeitgeber, indem sie das Fitnessstudio ihrer Mitarbeitenden oder betriebliche Gesundheitsförderung bezuschussen.
  4. Zusätzliche oder unbegrenzte Urlaubstage: Ausgeruhte Mitarbeiter bringen bessere Leistungen, weshalb mehr als nur der Mindesturlaub gewährt und ein Urlaubsgeld in Betracht gezogen werden sollte.
  5. Vier-Tage-Wochen: Viele Unternehmen haben die vier-Tage-Woche inzwischen getestet und verzeichneten dadurch sogar einen Produktivitätsanstieg. Der Grund: Die Stressbewältigung wird durch mehr Freizeit verbessert.
  6. Existenzsichernder Lohn: Wer sich trotz Vollzeitarbeit Sorgen um seine Existenz machen muss, wird sich seinem Arbeitgeber nicht positiv verbunden fühlen. Angemessene Gehälter sind also eine Grundlage, um Quiet Quitting zu verhindern. Das bedeutet, Gehälter an die Inflation anzupassen sowie die Bezahlung von Überstunden und Anerkennung von Mehrarbeit.
  7. Erreichbare Karriereziele: Eine planbare Karriere sorgt dafür, dass sich Mitarbeitende eine Zukunft im Unternehmen vorstellen können. Das verhindert Quiet Quitting und verhilft sogar zu Führungskräften aus dem eigenen Unternehmen.
  8. Klare Kommunikation: Mitarbeiter sollten offen mit den Führungskräften kommunizieren können. Eine offene Kommunikation ermöglicht den Aufbau von Vertrauen innerhalb des Teams.
  9. Mitarbeiter Benefits: Quiet Quitting ist oft eine Reaktion auf mangelnde Anerkennung durch den Arbeitgeber. Mit flexiblen, digitalen Benefits lässt sich dem entgegenwirken.