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Unternehmensnachfolge regeln
Ein guter Abgang ziert die Übung
Seit Jahrzehnten schon gestaltet sich der Generationenwechsel in deutschen Betrieben als extrem schwierig, da sich ein großer Teil der Firmeninhaber viel zu spät dazu entscheidet, die Zügel aus der Hand zu geben. Der demografische Wandel und die damit einhergehende schrumpfende Zahl der zur Verfügung stehenden Nachfolgekandidaten sowie in der jüngsten Zeit die Coronapandemie verleihen einem der essenziellen Themen der Wirtschaft zusätzliche Brisanz. So stehen den scheidenden Unternehmern – insbesondere im Mittelstand – immer weniger Übernehmer gegenüber.
Dramatische Folgen
Somit stehen deutsche Chefs unter Handlungsdruck. „Die geburtenstärksten Unternehmerjahrgänge und damit über 60 Prozent der Firmen dieser Republik müssen in den nächsten zehn Jahren ihre Nachfolge geregelt haben“, warnen die Experten von KERN. „Gleichzeitig stehen den dann 20 Jahre jüngeren Jahrgängen nur rund halb so viele potenzielle Nachfolger gegenüber.“ Es drohe ein Hauen und Stechen um die wenigen Kaufinteressierten.
Viele Einflussfaktoren
Doch warum verdrängen so viele von ihnen die Tatsache, dass auch sie irgendwann in den Ruhestand gehen werden, und somit das zerstören, woran sie ein Leben lang gearbeitet haben? Es gibt dafür verschiedene Erklärungen.

Weitere Motive für das Aufschieben der Nachfolgeregelung sind materiellerer Natur, wie etwa die finanzielle Absicherung im Alter für den Ausscheidenden selbst wie auch für seine Familie. Ebenfalls der Fiskus gehört zu den Bedenken, die dem Ruhestandkandidaten Kopfschmerzen bereiten. Und letztendlich will noch die Erbfrage geklärt werden: Wie wird das Vermögen unter Kindern und Angehörigen verteilt, kommt dabei der Familienfrieden ins Wanken und welche Geldausgaben werden dadurch entstehen?
Viele Fragen
Risiken bedenken
Früh genug handeln heißt, spätestens mit 55 Jahren die ersten Vorbereitungen zu treffen, da der erfolgreiche Abschluss eines Nachfolgeprozesses bis zu sechs Jahre in Anspruch nehmen kann.
Logischerweise besteht der erste Schritt darin, einen Nachfolger zu finden, der alle für die Aufgabe erforderlichen Qualifikationen mitbringt. Die beste Lösung für die meisten Unternehmer ist es, einen Angehörigen einspannen zu können. Eine Einigung zwischen den Generationen gelingt aber nicht in jedem Fall, sei es, dass der Auserkorene gar kein Interesse verspürt, sich dem Geschäft zu widmen, oder dass er schlicht und einfach nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügt.
INFO
Es empfiehlt sich:
- Mit der Nachfolgeregelung frühzeitig zu beginnen, idealerweise mit spätestens 55 Jahren.
- Den Übergabetermin des Seniorunternehmers festzulegen und einen Einarbeitungsplan für den Nachfolger frühzeitig zu erarbeiten.
- Die Unternehmensverhältnisse sowohl in familiärer als auch in steuerlicher und juristischer Hinsicht zu klären.
- Die Eventualität der ungeplanten Unternehmensnachfolge, etwa durch Krankheit, Unfall oder Tod zu berücksichtigen und Vollmachten zu erteilen. Ein Unternehmenstestament hält die avisierten Ziele fest.
- Als Unternehmer nicht zu versäumen, alle Beteiligten über die Nachfolgevorkehrungen zu informieren und sich somit deren Unterstützung sichern.
- Ein ausführliches Anforderungsprofil des Nachfolgers zu erstellen.
- Um Überprüfungen durch Kaufwillige oder Kreditinstitute standzuhalten, bei der Ermittlung des Unternehmenswerts realistisch bleiben.
- Lieber keinen Alleingang wagen, da ein solcher Schritt selten erfolgreich ist. Ein professioneller Berater leistet die nötige Unterstützung.
Mehrere Möglichkeiten
Will dem Senior das Heranziehen eines Familienmitglieds partout nicht glücken, besteht auch die Möglichkeit, dass die eigenen Mitarbeiter das Unternehmen im Rahmen eines Management-Buy-Outs (MBO) übernehmen. Dafür sind allerdings die Erarbeitung von Beteiligungsmodellen sowie die Anforderung von öffentlichen Fördermitteln, manchmal auch die Absicherung durch Bürgschaften nötig.
Muss nach außen gefahndet werden, gestaltet sich die Suche tatsächlich meist als extrem aufwendig und nimmt auf jeden Fall sehr viel Zeit in Anspruch. Hat man aber endlich Erfolg und einen qualifizierten Kandidaten ausfindig gemacht, ist längst noch nicht alles geregelt. Im Gegenteil, es ist der Beginn eines weiteren langwierigen Prozesses. Denn es gibt viel zu regeln. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem Neuen um einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen, ein übernahmeinteressiertes Unternehmen oder um einen Existenzgründer handelt. Für Letzteren übrigens ist eine Übernahme oft vorteilhafter als eine Neugründung.
Neugründer aufgepasst
Seniorunternehmern größer als das Angebot von Nachfolgeinteressierten – Tendenz steigend.

Was viele Übernahmeinteressierte nicht wissen: Neben Bankkrediten können Übernahmekandidaten zur Finanzierung auch öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen. Bevor sie bei ihrer Hausbank Verpflichtungen eingehen, sollten sie sich daher umfassend über die vielfältigen Fördermöglichkeiten, speziell für Existenzgründer, informieren, lautet die Empfehlung der 2019 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) herausgegebenen und mit Unterstützung der „nexxt“ Initiative Unternehmensnachfolge zu diesem Thema erarbeiteten Broschüre. Bund und Länder bieten diese Finanzierungsprogramme zu günstigen Konditionen an. Dabei ist es unerheblich, ob die Kandidaten ein bestehendes Unternehmen übernehmen, sich daran beteiligen oder ein neues gründen. In den neuen Bundesländern gibt es zusätzliche Fördermöglichkeiten wie beispielsweise Investitionszulagen oder häufig günstigere Zinssätze.
Zuschüsse für Beratung
Doch auch die Übergeber zeigen mit Blick auf die Nachfolgeverhandlungen häufig Bedarf an externen Beratungsleistungen. Dies gilt insbesondere für Mittelständler, die meist unsicherer sind als die Übergeber großer Unternehmen, weshalb der Staat Beratungshilfen für Übergeber von KMU als gerechtfertigt betrachtet – vorausgesetzt jedoch, dass sie sich in der frühen Vorbereitungsphase der Nachfolge befinden und somit das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe erfüllt wird.
So richtet sich die „Förderung unternehmerischen Know-hows“ sowohl an Unternehmensnachfolger, die bereits einen Betrieb übernommen haben, als auch an Inhaber kleiner und mittelgroßer Unternehmen sowie Freiberufler, die eine Übergabe vorbereiten, berichten die Verfasser der BMWi-Broschüre. Gefördert werden Beratungen, die von selbstständigen Beratern oder Beratungsunternehmen durchgeführt werden, deren Umsatz zu über 50 Prozent aus Beratungsleistungen erzielt wird. Sie müssen darüber hinaus über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und einen Qualitätsnachweis erbringen. Die Fördermaßnahme muss als Einzelberatung durchgeführt werden, Seminare oder Workshops werden nicht berücksichtigt. Die Leistung muss vom Berater in einem schriftlichen Bericht dokumentiert werden.
Im Allgemeinen erweist sich die Gestaltung einer Nachfolge nicht nur als langwierig, sondern zudem als extrem komplex und der gute Wille des Abgehenden reicht alleine nicht aus, um den Erfolg der Regelung zu sichern. Professionelle Beratung kommt einem solchen Projekt auf jeden Fall zugute. Sie ist nicht nur wegen der schwierigen Materie absolut notwendig, sondern auch deswegen, weil der Berater als unternehmensexterne Person in der Lage ist, bar jeden Affekts das Projekt mit der notwendigen Neutralität zu moderieren.
Sicher ist: Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gehört die Nachfolgeplanung mehr denn je zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Firmeninhabers. Sowohl Verzögerungen als auch Fehlentscheidungen können da fatale Folgen haben. Schließlich steht nicht mehr und nicht weniger als die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens auf dem Spiel.
Graziella Mimic