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Unternehmensnachfolge regeln

Unternehmensnachfolge regeln

Ein guter Abgang ziert die Übung

Seit Jahrzehnten schon gestaltet sich der Generationenwechsel in deutschen Betrieben als extrem schwierig, da sich ein großer Teil der Firmeninhaber viel zu spät dazu entscheidet, die Zügel aus der Hand zu geben. Der demografische Wandel und die damit einhergehende schrumpfende Zahl der zur Verfügung stehenden Nachfolgekandidaten sowie in der jüngsten Zeit die Coronapandemie verleihen einem der essenziellen Themen der Wirtschaft zusätzliche Brisanz. So stehen den scheidenden Unternehmern – insbesondere im Mittelstand – immer weniger Übernehmer gegenüber.

Deutschlands Unternehmerschaft altert rasant: Bis 2022 werden drei von fünf Unternehmern deutlich über 55 Jahre alt sein: Dies fand eine bundesweit angelegte Studie der Beratungsgruppe „KERN – Unternehmensnachfolge. Erfolgreicher“ heraus. Insbesondere in Familienbetrieben bestehe vor dem Hintergrund dieser Altersentwicklung die Gefahr eines Investitionsstaus sowie eines Substanzverlusts. Je nach persönlichem Gesundheitszustand gerate innerhalb weniger Jahre die Mehrheit von ihnen in den dringlichen Entscheidungsprozess, ihre Nachfolge verlässlich und zukunftsorientiert zu regeln. „Da die geburtenschwachen Jahrgänge folgen, wird es neben der Qualifikation von Nachfolgepersönlichkeiten zu einem quantitativen Engpass und damit einem deutlichen Risiko in der Nachfolgesicherung der Familienunternehmen kommen“, sind sich die Spezialisten von KERN sicher.

Dramatische Folgen

Hinzu kommt der Fachkräftemangel – qualifizierte Mitarbeiter im Alter von 20 bis Mitte 40 fehlen bereits. Zwar sei das Angebot auf der Firmenleitungsebene noch ausreichend, doch aufgrund der bereits beschriebenen Altersentwicklung werde es innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einem bedeutsamen Unternehmermangel kommen, mit dramatischen Folgen für den Fortbestand der Betriebe und Arbeitsplätze.
Somit stehen deutsche Chefs unter Handlungsdruck. „Die geburtenstärksten Unternehmerjahrgänge und damit über 60 Prozent der Firmen dieser Republik müssen in den nächsten zehn Jahren ihre Nachfolge geregelt haben“, warnen die Experten von KERN. „Gleichzeitig stehen den dann 20 Jahre jüngeren Jahrgängen nur rund halb so viele potenzielle Nachfolger gegenüber.“ Es drohe ein Hauen und Stechen um die wenigen Kaufinteressierten.

Viele Einflussfaktoren

Neben der Alterung deutscher Unternehmer, dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel üben weitere Faktoren einen Einfluss auf eine rechtzeitige Regelung der Nachfolge aus. Wirtschaftliche Entwicklungen, die Konkurrenz, Steuerthemen oder die Möglichkeiten der Finanzierung auf den Kapitalmärkten sind einige davon. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass viele Firmeninhaber sich damit schwertun, den Stab weiterzugeben.
Doch warum verdrängen so viele von ihnen die Tatsache, dass auch sie irgendwann in den Ruhestand gehen werden, und somit das zerstören, woran sie ein Leben lang gearbeitet haben? Es gibt dafür verschiedene Erklärungen.
zwei Männer unterhalten sich
Alternde Unternehmerschaft: Bis 2022 werden in Deutschland drei von fünf Unternehmern deutlich über 55 Jahre alt sein.
Sicher ist allemal: Emotionale Gründe stehen im Vordergrund. Der bloße Gedanke daran, den Chefsessel zu räumen, erweist sich für so manchen Inhaber als eine unerträgliche Vorstellung. Die tiefe Überzeugung, es sei so schnell nicht möglich, fähigen Nachwuchs aufzutreiben, tut ihr Übriges. „Es lässt sich einfach niemand finden, der in der Lage ist, das Geschäft so gut zu führen, wie ich es tue. Ich muss doch noch einige Jahre weitermachen, bis ein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht.“ Mit solchen Worten wird die Frage der Nachfolge in vielen Betrieben immer wieder vertagt und eine für das Unternehmen existenzbedrohende Lage in Kauf genommen.

Weitere Motive für das Aufschieben der Nachfolgeregelung sind materiellerer Natur, wie etwa die finanzielle Absicherung im Alter für den Ausscheidenden selbst wie auch für seine Familie. Ebenfalls der Fiskus gehört zu den Bedenken, die dem Ruhestandkandidaten Kopfschmerzen bereiten. Und letztendlich will noch die Erbfrage geklärt werden: Wie wird das Vermögen unter Kindern und Angehörigen verteilt, kommt dabei der Familienfrieden ins Wanken und welche Geldausgaben werden dadurch entstehen?

Viele Fragen

Das ist längst nicht alles: Die unausweichlichen Gespräche mit den Mitarbeitern, denen man beibringen muss, dass ein „Neuer“ das Ruder in die Hand nehmen wird, bereiten den „alten Hasen“ großes Unbehagen, wie auch das Beantworten der vielen Fragen, die zweifellos von der Belegschaft gestellt werden: Wird denn alles beim Alten bleiben, behalten alle Angestellten ihre Jobs, soll womöglich ein Standortwechsel stattfinden? Die Aussicht auf solche Auseinandersetzungen lässt auch den hartgesottensten Unternehmer niemals kalt. Und so vertagt er den entscheidenden Schritt immer wieder, bis es zu spät ist. Doch dies ist verhängnisvoll, wo es schließlich um nicht weniger geht als darum, die Lebensfähigkeit des Unternehmens und seine Weiterentwicklung sicherzustellen.

Risiken bedenken

Und tatsächlich: Wer es versäumt, seine Nachfolge früh genug zu organisieren, handelt fahrlässig. Nicht nur, dass er die Existenz seiner Firma aufs Spiel setzt, wenn der Zeitpunkt der Übergabe gekommen ist. Er nimmt schon lange vorher bestimmte Risiken in Kauf. Neben einem schleichenden Werteverfall des Unternehmens zählen auch schlechte Finanzierungskonditionen dazu, denn beim Rating honorieren Kreditinstitute eine durchdachte und zielgerichtete Nachfolgeplanung. Darüber hinaus sind in puncto Steuern ebenfalls deutliche Nachteile zu erwarten, da die Regelungen zur Optimierung der Steuerlast zum Übergabezeitpunkt nur mit beträchtlichem zeitlichem Vorlauf Wirkung zeigen.
Früh genug handeln heißt, spätestens mit 55 Jahren die ersten Vorbereitungen zu treffen, da der erfolgreiche Abschluss eines Nachfolgeprozesses bis zu sechs Jahre in Anspruch nehmen kann.

Logischerweise besteht der erste Schritt darin, einen Nachfolger zu finden, der alle für die Aufgabe erforderlichen Qualifikationen mitbringt. Die beste Lösung für die meisten Unternehmer ist es, einen Angehörigen einspannen zu können. Eine Einigung zwischen den Generationen gelingt aber nicht in jedem Fall, sei es, dass der Auserkorene gar kein Interesse verspürt, sich dem Geschäft zu widmen, oder dass er schlicht und einfach nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügt.

INFO

Zur richtigen Stunde die richtigen Schritte: Nur wer nach dieser Devise handelt, hat bei der Gestaltung seiner Nachfolge Aussicht auf Erfolg.

Es empfiehlt sich:
  • Mit der Nachfolgeregelung frühzeitig zu beginnen, idealerweise mit spätestens 55 Jahren.
  • Den Übergabetermin des Seniorunternehmers festzulegen und einen Einarbeitungsplan für den Nachfolger frühzeitig zu erarbeiten.
  • Die Unternehmensverhältnisse sowohl in familiärer als auch in steuerlicher und juristischer Hinsicht zu klären.
  • Die Eventualität der ungeplanten Unternehmensnachfolge, etwa durch Krankheit, Unfall oder Tod zu berücksichtigen und Vollmachten zu erteilen. Ein Unternehmenstestament hält die avisierten Ziele fest.
  • Als Unternehmer nicht zu versäumen, alle Beteiligten über die Nachfolgevorkehrungen zu informieren und sich somit deren Unterstützung sichern.
  • Ein ausführliches Anforderungsprofil des Nachfolgers zu erstellen.
  • Um Überprüfungen durch Kaufwillige oder Kreditinstitute standzuhalten, bei der Ermittlung des Unternehmenswerts realistisch bleiben.
  • Lieber keinen Alleingang wagen, da ein solcher Schritt selten erfolgreich ist. Ein professioneller Berater leistet die nötige Unterstützung.

Mehrere Möglichkeiten

In der Tat verspüren immer öfter Kinder keine Lust, den elterlichen Betrieb weiterzuführen. „Es gibt heute nicht mehr den Automatismus, dass die jüngere Generation (NextGen) in die Fußstapfen der Eltern oder auch Großeltern tritt oder treten muss“, sagte Jörg Ritter, Professor an der Quadriga-Hochschule, im Interview mit Human Resources Manager im vergangenen Dezember. „Gerade entstehen viele neue institutionalisierte Formen wie Family Equity, Family Office oder Wealth-Funds-Organisationen. Mit dem Erbe könnte man etwas anderes anfangen.“

Will dem Senior das Heranziehen eines Familienmitglieds partout nicht glücken, besteht auch die Möglichkeit, dass die eigenen Mitarbeiter das Unternehmen im Rahmen eines Management-Buy-Outs (MBO) übernehmen. Dafür sind allerdings die Erarbeitung von Beteiligungsmodellen sowie die Anforderung von öffentlichen Fördermitteln, manchmal auch die Absicherung durch Bürgschaften nötig.

Muss nach außen gefahndet werden, gestaltet sich die Suche tatsächlich meist als extrem aufwendig und nimmt auf jeden Fall sehr viel Zeit in Anspruch. Hat man aber endlich Erfolg und einen qualifizierten Kandidaten ausfindig gemacht, ist längst noch nicht alles geregelt. Im Gegenteil, es ist der Beginn eines weiteren langwierigen Prozesses. Denn es gibt viel zu regeln. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem Neuen um einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen, ein übernahmeinteressiertes Unternehmen oder um einen Existenzgründer handelt. Für Letzteren übrigens ist eine Übernahme oft vorteilhafter als eine Neugründung.

Neugründer aufgepasst

„Wer von Anfang an neben der Neugründung auch eine Unternehmensnachfolge ins Blickfeld nimmt, kommt eventuell schneller, kostengünstiger und leichter zu einer neuen nachhaltigen beruflichen Existenz als ein Selbstständiger oder Neugründer“, schildert Dr. Thomas Schulze auf der Website von Firma.de – das Portal unterstützt Gründer sämtlicher Branchen bei allen Arbeitsabläufen zwecks eines schnellen, sicheren und kostengünstigen Starts. „Existenzgründer wollen sich neuen Herausforderungen stellen, damit möglichst mehr Geld verdienen – und nicht zuletzt auch Arbeitsplätze schaffen. Dabei übersehen sie leider oft, dass es dafür noch einen viel effizienteren Weg als eine Unternehmensgründung geben kann. Mit einer Unternehmensnachfolge anstelle einer Gründung.“ Schließlich sei die Nachfrage von
Seniorunternehmern größer als das Angebot von Nachfolgeinteressierten – Tendenz steigend.
Männer im Gespräch
Unmotivierter Nachwuchs: Immer öfter haben Kinder keine Lust, den elterlichen Betrieb weiterzuführen.
Im Rahmen jeder Nachfolgeplanung kommt der Ermittlung des Unternehmenswerts eine zentrale Bedeutung zu. Dabei gilt es, unbedingt realistisch zu bleiben. Denn die Ergebnisse sollen Überprüfungen durch den Kaufwilligen oder durch Kreditinstitute standhalten. Danach beginnen die Verhandlungen über den Kaufpreis, die Klärung der steuerlich optimalen Lösung und das Entwerfen der Verträge. Und letztendlich muss der Kaufinteressent sein Finanzkonzept erarbeiten und bewilligt bekommen.

Was viele Übernahmeinteressierte nicht wissen: Neben Bankkrediten können Übernahmekandidaten zur Finanzierung auch öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen. Bevor sie bei ihrer Hausbank Verpflichtungen eingehen, sollten sie sich daher umfassend über die vielfältigen Fördermöglichkeiten, speziell für Existenzgründer, informieren, lautet die Empfehlung der 2019 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) herausgegebenen und mit Unterstützung der „nexxt“ Initiative Unternehmensnachfolge zu diesem Thema erarbeiteten Broschüre. Bund und Länder bieten diese Finanzierungsprogramme zu günstigen Konditionen an. Dabei ist es unerheblich, ob die Kandidaten ein bestehendes Unternehmen übernehmen, sich daran beteiligen oder ein neues gründen. In den neuen Bundesländern gibt es zusätzliche Fördermöglichkeiten wie beispielsweise Investitionszulagen oder häufig günstigere Zinssätze.

Zuschüsse für Beratung

Ebenfalls zu den Beratungskosten bieten die Bundesländer Zuschüsse und/oder eine kostenfreie Gründungsberatung für die Vorgründungsphase an. Nachfolger erhalten dadurch die Möglichkeit, sämtliche Fragen rund um ihren Businessplan und ihre weiteren Vorbereitungen einer Unternehmensnachfolge zu klären.

Doch auch die Übergeber zeigen mit Blick auf die Nachfolgeverhandlungen häufig Bedarf an externen Beratungsleistungen. Dies gilt insbesondere für Mittelständler, die meist unsicherer sind als die Übergeber großer Unternehmen, weshalb der Staat Beratungshilfen für Übergeber von KMU als gerechtfertigt betrachtet – vorausgesetzt jedoch, dass sie sich in der frühen Vorbereitungsphase der Nachfolge befinden und somit das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe erfüllt wird.

So richtet sich die „Förderung unternehmerischen Know-hows“ sowohl an Unternehmensnachfolger, die bereits einen Betrieb übernommen haben, als auch an Inhaber kleiner und mittelgroßer Unternehmen sowie Freiberufler, die eine Übergabe vorbereiten, berichten die Verfasser der BMWi-Broschüre. Gefördert werden Beratungen, die von selbstständigen Beratern oder Beratungsunternehmen durchgeführt werden, deren Umsatz zu über 50 Prozent aus Beratungsleistungen erzielt wird. Sie müssen darüber hinaus über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und einen Qualitätsnachweis erbringen. Die Fördermaßnahme muss als Einzelberatung durchgeführt werden, Seminare oder Workshops werden nicht berücksichtigt. Die Leistung muss vom Berater in einem schriftlichen Bericht dokumentiert werden.

Im Allgemeinen erweist sich die Gestaltung einer Nachfolge nicht nur als langwierig, sondern zudem als extrem komplex und der gute Wille des Abgehenden reicht alleine nicht aus, um den Erfolg der Regelung zu sichern. Professionelle Beratung kommt einem solchen Projekt auf jeden Fall zugute. Sie ist nicht nur wegen der schwierigen Materie absolut notwendig, sondern auch deswegen, weil der Berater als unternehmensexterne Person in der Lage ist, bar jeden Affekts das Projekt mit der notwendigen Neutralität zu moderieren.

Sicher ist: Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gehört die Nachfolgeplanung mehr denn je zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Firmeninhabers. Sowohl Verzögerungen als auch Fehlentscheidungen können da fatale Folgen haben. Schließlich steht nicht mehr und nicht weniger als die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens auf dem Spiel.

Graziella Mimic