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Wenn Mitarbeiter zu Game Changern werden
Interview mit Daniela Isfort
Daniela Isfort: Gerade mittelständische Unternehmen sind zunehmend vom Fachkräftemangel betroffen. Gleichzeitig müssen sich die Firmen immer schneller an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen und dafür steht sehr wenig Fachpersonal zur Verfügung. Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Mitarbeiterstrukturen anpassen müssen, die zum großen Teil noch aus Zeiten stammen, als vorwiegend physisch – also mit den Händen – gearbeitet wurde. Heute ist vielfach Fachwissen gefragt. Und das müssen die Unternehmen ihren Mitarbeitern vermitteln, damit diese flexibler auf die neuen Anforderungen reagieren können und dafür ausgerüstet sind. Auch bei uns im Unternehmen merken wir, dass es immer häufiger Tätigkeiten gibt, die ein Rechner oder ein Roboter performanter lösen kann als ein Mensch. Es wird künftig also immer notwendiger sein, die Fähigkeiten, die ein Mensch den Maschinen voraushat, mehr herauszuarbeiten. Dafür müssen wir unsere Teams noch besser weiterbilden und qualifizieren. Alle Mitarbeitenden müssen künftig so ausgebildet sein, dass sie eigenverantwortlich und lösungsorientiert arbeiten können.
Daniela Isfort
Geschäftsführerin der ISFORT GmbH & Co. KG
„Meistens gibt es bereits die richtigen Leute im Unternehmen, man hat sie nur noch nicht ausreichend ausgebildet und mitgenommen.“
Isfort: Der Führungsstil in der ISFORT Gruppe basiert auf der Erkenntnis, dass der „einsame Firmenlenker“, der alle Entscheidungen trifft, der sozusagen über das gesamte Wissen verfügt, für uns nicht mehr zeitgemäß ist. Stattdessen arbeiten wir aktiv daran, dass die fachliche Kompetenz der Teams hoch ist und auch das Verständnis zu den wirtschaftlichen Zusammenhängen und den Rahmenbedingungen in unserem Unternehmen bei den Mitarbeitenden vorliegt. Das bedeutet, dass jeder einzelne Teamkollege oder jede einzelne Teamkollegin selbstständig Entscheidungen treffen kann. Das versuchen wir zu kultivieren und weiterzuentwickeln. Es soll bei jedem von ihnen sowohl den Mut als auch die Fähigkeiten geben, selbstständig Entscheidungen zu fällen und diese Entscheidungen dann auch mitzutragen. Wir arbeiten sozusagen basis-demokratisch und wichtige wirtschaftliche Beschlüsse werden durch eine einfache Mehrheit bei einer Abstimmung herbeigeführt. Die Grundlage dafür ist aber, dass die Teammitglieder überhaupt das Wissen haben, um sinnvoll mitentscheiden zu können. Die Idee zu diesem Führungsstil stammt aus den USA. John Stack hat mit „The Great Game of Business” ein hochinteressantes Buch dazu verfasst. Im Prinzip ist es so, dass mein Team und ich uns alle als Spieler in einem Spiel verstehen. Jeder arbeitet an seinem Platz mit Hochdruck daran, dass wir dieses „Spiel“ gewinnen.
FACTS: Warum haben Sie diesen Managementstil gewählt? Vereinfacht er Ihre Arbeit?
Isfort: Nein, das ganz klar nicht. Dieser Führungsstil macht viele Dinge deutlich emotionaler, komplexer und auch anstrengender. In vielen Dingen wäre es sicherlich einfacher, Entscheidungen allein zu treffen und die Mitarbeiter nicht einzubinden. Aber der Führungsstil bei uns ist sinnerfüllter und menschlicher. Allerdings auch herausfordernder für die Führungskraft. Es ist immer sehr aufreibend, wenn Menschen miteinander in Verbindung stehen und sich abstimmen müssen. Dann sind oft auch Gefühle involviert. Trotzdem lohnt es sich aus meiner Sicht.
FACTS: Wie gefällt Ihr Führungsstil Ihren Mitarbeitenden? Fühlen sich einige Mitarbeiter abgehängt?
Isfort: Hier gab es einige Überraschungen. Zunächst einmal muss ich einräumen, dass rund 15 Prozent der Mitarbeiter den neuen Führungsstil nicht mittragen wollten oder konnten. Es ist am Anfang definitiv so, dass man Mitarbeiter verliert, die möglicherweise nicht so gerne im Team spielen oder sich nicht emotional einbringen wollen. Es gibt sicherlich auch Menschen, die mit einem nichthierarchischen Führungsstil eigentlich ein Problem haben, lieber eine Arbeitsanweisung erhalten wollen und sich sehr schwer damit tun, wenn sie keine bekommen und selbst aktiv werden müssen. Die meisten Mitarbeitenden arbeiten jedoch gerne im Team. Abgehängt wird niemand, da jeder im Team seine Fähigkeiten noch besser einsetzen kann.
Um mal beim Bild des Spiels zu bleiben: Es braucht nicht nur die gewinnende Mannschaft auf dem Platz, sondern auch den Zeugwart und den Wasserträger. So zeigt sich, dass gerade die digital wenig affinen Mitarbeitenden besonders viel für die Gemeinschaft leisten. Jeder sollte nach seinen Fähigkeiten eingesetzt werden. Menschen leisten mehr, als man denkt und entwickeln sich häufig in eine ganz unerwartete Richtung weiter.
FACTS: Kann auch die Art, wie ein Unternehmen geführt wird, dazu beitragen, wertvolle Fachkräfte an sich zu binden oder neue Mitarbeitende zu gewinnen?
Isfort: Mittel- und langfristig auf jeden Fall. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen wieder lernen müssen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es reicht nicht aus, wenn man erkennt, dass ein Problem vorhanden ist. Man muss auch nach einer Lösung suchen und sie im besten Fall auch finden. Das ist in unserer Gesellschaft ein wenig verloren gegangen. Menschen müssen mehr Verantwortung für sich und ihren eigenen Wohlstand übernehmen.
Auch in Unternehmen ist das zu bemerken. Viele Führungskräfte klagen zwar auf der einen Seite über Fachkräftemangel, sind jedoch auf der anderen Seite nicht bereit, ihre eigenen Mitarbeitenden entsprechend weiterzubilden. Ich meine: Meistens gibt es die richtigen Leute im Unternehmen bereits, man hat sie nur noch nicht ausreichend ausgebildet und mitgenommen. Aber genau das muss geschehen, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt.
FACTS: Was raten Sie Unternehmen, die Ihr Management innovativer aufstellen wollen? Was gilt es zu beachten?
Isfort: Ich würde generell keinem zu dem in unserem Unternehmen praktizierten Führungsstil raten. Als Führungskraft ist man
sehr gefordert, denn man gibt die Kontrolle auf. Wenn man dazu bereit ist, sollte man diesen Weg gehen, was allerdings Mut und Kritikfähigkeit erfordert. Mit solcher Kritik muss man umgehen und sie reflektieren können. Wer das kann und dazu bereit ist, loszulassen, für den kann das ein lohnender Schritt sein. In diesem Fall empfehle ich das bereits erwähnte Buch von John Stack zur Erstlektüre. Es gibt dazu auch eine deutsche Adaption von Dr. Kerstin Friedrich.
Elke von Rekowski

Literaturtipp:
„Spielregeln für Game Changer“
GABAL Verlag, 2020
248 Seiten
ISBN 978-3869369617
32 Euro