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Kinnarps: Alte (Natur)liebe rostet nicht

Alte (Natur)liebe rostet nicht

Interview mit Dr. Jens Gebhardt, Commercial Director der Kinnarps GmbH

Nicht erst seit heute hat Nachhaltigkeit im naturfreundlichen Skandinavien einen hohen Stellenwert – so auch für den schwedischen Anbieter von Einrichtungslösungen Kinnarps. Dr. Jens Gebhardt, Commercial Director der Kinnarps GmbH, erläutert im Gespräch mit FACTS, wie das 1942 gegründete Familienunternehmen entlang seiner gesamten Wertschöpfungskette nicht nur auf hohe Qualität, sondern gleichzeitig auch auf geringe Umweltbelastung setzt.

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Dr. Jens Gebhardt

Commercial Director der Kinnarps GmbH

"Unser neues Konzept „Circles of Change“ – unser Beitrag zur Kreislaufwirtschaft – wird auf der diesjährigen Orgatec eine große Rolle spielen."

FACTS: Mittlerweile wissen es alle: Die natürlichen Ressourcen sind begrenzt, weshalb wir im Umgang mit ihnen umsichtig sein müssen.  Welchen Stellenwert hat Umweltschutz für Kinnarps?

Dr. Jens Gebhardt: Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind seit jeher inhärenter Bestandteil der Identität von Kinnarps. Bereits zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung 1942 war es dem Gründerpaar wichtig, im Einklang mit der Natur und ihren Ressourcen zu handeln. Dieser Idee sind wir heute noch verpflichtet. Neben vielen neuen Maßnahmen für Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Umweltschutz verfolgen wir bis heute die damals entwickelten Konzepte wie etwa das Blue-Truck-Konzept. Es wird in verfeinerter Form noch heute täglich angewendet. Bei allen Entscheidungen von der Beschaffung der Rohstoffe, über ihre Verarbeitung bis hin zur Auslieferung, Anwendung und Wiederverwendung des fertigen Produkts ist Nachhaltigkeit der stets entscheidende Faktor.


FACTS: Welche Maßnahmen trifft Kinnarps konkret?

Dr. Gebhardt: Das Maßnahmenprogramm ist sehr umfangreich und umfasst alle Bereiche unseres Unternehmens, angefangen bei der Designentwicklung bis hin zum Aufarbeiten der in die Jahre gekommenen Produkte und ihrem neuen Eintritt in den Kreislauf. Wir produzieren ausschließlich in Schweden und haben daher die volle Kontrolle über alle Schritte. Es würde den Rahmen sprengen, alle Maßnahmen aufzuzählen, aber anhand einiger Beispiele wird unser Gesamtkonzept sicher deutlich.

Nehmen wir den Bereich, den wir unter „Rohmaterialien und Ressourcen“ zusammenfassen. Hier sind fast ausschließlich zertifizierte Materialien im Einsatz: 97 Prozent unseres eingesetzten Holzes ist FSC zertifiziert. Mit modernsten Maschinen reduzieren wir unsere Materialabfälle, Reste verarbeiten wir unter anderem für unsere Akustikpaneele Prim und Oktav. Nichts bleibt übrig
FACTS: Und wie sieht es im Bereich Klimaschutz aus?

Dr. Gebhardt: Hier spielt unser am Markt einzigartiges Blue-Truck-System eine entscheidende Rolle. Wir verpacken mit Decken statt mit Kartons und sparen dadurch 270 kg pro Koffer pro LKW, das sind 540 kg pro LKW bei jeder Lieferung. Durch unser spezielles Verstausystem nutzen wir unsere LKW mit 80 Kubikmeter pro LKW, 40 Kubikmeter pro Koffer maximal aus – anders gesagt, wir können circa anderthalb mal so viele Produkte ausliefern wie unsere Wettbewerber. Darüber hinaus haben wir unsere Blue Trucks von zwei auf drei Koffer erhöht und reduzieren damit unseren CO₂-Ausstoß um jährlich 20 Prozent.

Wir konnten übrigens unseren CO₂-Ausstoß insgesamt um 47 Prozent in 2020 reduzieren. Für die CO₂-Emissionen, die durch den Zahlungsverkehr entstehen, ist eine Reduktion um 30 Prozent vorgesehen.
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Das Blue-Truck-System von Kinnarps
Gerade wird es immer mehr zum Thema, was wir seit Jahren umsetzen: Die Vermeidung des Einsatzes von fossilen Brennstoffen. Unser Anteil an fossilfreier Energie liegt zurzeit bei 77 Prozent. Auch die Ziele zum Einsatz von Lösungsmitteln konnte Kinnarps übertreffen und diesen um 57 Prozent reduzieren. Der Energieverbrauch wurde im letzten Jahr um 19 Prozent gesenkt.


FACTS: Werden weitere Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt?

Gebhardt: Nachhaltigkeit bei Kinnarps umfasst auch soziale Verantwortung und das Konzept der Aufarbeitung und Wiederverwertung. Hierzu empfehle ich Ihnen, auf jeden Fall an unserem Stand der diesjährigen Orgatec im Oktober in Köln vorbeizuschauen. Wir stellen dort unseren Circles-of-Change-Truck aus, in dem wir vor Ort Produkte aufarbeiten.

Wir setzen uns regelmäßig neue, messbare Nachhaltigkeitsziele und dokumentieren die erreichten Meilensteine jedes Jahr im Nachhaltigkeitsbericht „The Better Effect“ fest, und halten diese dadurch transparent.


FACTS: Welchen Beitrag leistet Kinnarps zur Förderung der Kreislaufwirtschaft?

Gebhardt: Unsere Produkte sind so designt, dass sie jederzeit aufgearbeitet und wiederverwendet werden können. Sie lassen sich an veränderte Bedürfnisse der Kunden oder nach jahrelanger Nutzung auch an neue Trends anpassen. Auf einer der letzten Messen haben wir Produkte gezeigt, die noch aus den 60er Jahren stammen und mit neuen Farben und aufgearbeitet immer noch im Kreislauf sind.

Viele Möbelstücke lassen sich einfach durch den Austausch von Tischplatten, Polstern oder anderen Ersatzteilen aufwerten oder überholen. Durch die Möglichkeit, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern und Teile auszutauschen oder nachzurüsten, können die Kunden selbst Nachhaltigkeit praktizieren.

Wenn Sie einmal in einem unserer Showrooms waren, kennen Sie sicher auch unseren Kreislauf-Baum. Hier sind lauter große und kleine Kreise aus Holzspänen aufgehängt. Sie verdeutlichen unser Motto „Let‘s create bigger circles“. Das neue Konzept „Circles of Change“, also unser Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, wird ab Herbst dieses Jahres einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert und wie gesagt auch auf der Orgatec eine große Rolle spielen.
FACTS: Wird bei Kinnarps auf jeder Ebene der Fertigung nachhaltig gehandelt?

Gebhardt: Auch bei der Fertigung hat Nachhaltigkeit für Kinnarps einen sehr hohen Stellenwert. Die Heizanlage der Produktion in Kinnarp im Westen Schwedens wird ausschließlich aus Briketts aus eigenen Holzabfällen gespeist. Wir vermeiden umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe, arbeiten mit wasserlöslichen Lacken, nutzen natürliche Beizen für unsere Holzoberflächen und haben Linoleum als neue Oberfläche für Arbeitstische etabliert. Wir nutzen Ressourcen optimal aus und reduzieren und recyceln Abfallmaterialien. Wir haben Produkte entwickelt, die aus Abfällen bestehen, wie der Tisch Tinnef von Materia aus Shampooflaschen oder Joghurtbechern.
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Tinnef: Der Tisch von Skandiform besteht aus Shampooflaschen oder Joghurtbechern.
Unsere Maschinen für den Stoffzuschnitt verwenden ein automatisiertes Programm, das den Abfall reduziert. In unserer Produktion in Skillingaryd (Schweden) liegt die Ausnutzung der textilen Ressourcen derzeit bei 83 Prozent. Bis 2025 streben wir einen Wert von 85 Prozent an. Verbleibende Textilabfälle und recycelte Materialien werden für Neuprodukte verwendet.


FACTS: Wie verhält es sich mit den Lieferketten? Wird darauf geachtet, dass sämtliche Beteiligte auch umweltfreundlich agieren?

Gebhardt: Kinnarps übernimmt die Verantwortung für die gesamte Lieferkette, von der Herstellung bis zur Lieferung. Von den Rohmaterialien bis hin zu den fertigen Arbeitsplatzlösungen zeichnet sich die gesamte Lieferkette durch hohe Qualität und geringe Umweltbelastung aus. Dazu gehört selbstverständlich auch die Kontrolle der Lieferanten, die überwiegend aus Schweden sind, sodass wir hier schon durch die Gesetzeslage eine der höchsten Anforderungen in Europa und in der Welt an den Umweltschutz haben.


FACTS: Gilt der Nachhaltigkeitsansatz bis hin zum Transport und zur Auslieferung der Produkte?

Gebhardt: Ja, wie gesagt, ist unser Transportsystem komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Über viele Vorteile des Blue-Truck Logistikkonzepts haben wir schon gesprochen, also unter anderem die optimale Ladeeffizienz, die wiederverwendbaren Decken und die Einsparung von 270 kg Verpackungsmaterial pro Koffer. Ich kann noch ergänzen, dass ein Programm die effizienteste Belademöglichkeit unserer LKWs berechnet. Ein modernes Routenplanungssystem ermittelt die effizienteste Lieferstrecke, um die Wege so kurz wie möglich zu halten. 2020 sind wir auf erneuerbaren Dieselkraftstoff umgestiegen, unsere Blue Trucks fahren mit 100 Prozent Biodiesel. So werden unsere durch Lieferfahrzeuge verursachten CO₂-Emissionen um fast 2.000 Tonnen pro Jahr reduziert.


FACTS: Stellen Sie bei Ihren Kunden ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein fest? Sie bieten beispielsweise Möbelreinigung an, womit man Neuanschaffungen zunächst verschieben kann. Wird dieser Service oft in Anspruch genommen?

Gebhardt: Neben den größeren Konzernen haben mittlerweile auch viele mittelständische Unternehmen in Deutschland ein Anforderungsprofil an Nachhaltigkeitslabels und -normen und erwarten, dass Unternehmen, die sie beliefern, diese besitzen und erfüllen. Das kommt uns zugute, wir befürworten es sehr, wenn auch unsere Kunden durch uns nachhaltige Entscheidungen treffen können. Was die Möbelreinigung anbelangt, würden wir uns freuen, wenn der Service häufiger in Anspruch genommen würde. Er tut einem Produkt sehr gut, mehr als die meisten vermuten.
FACTS: Welche Produkte von Kinnarps sind besonders umweltfreundlich?

Gebhardt: Alle Produkte von Kinnarps werden unter Berücksichtigung unserer Nachhaltigkeitsstandards entwickelt. Unser Tool „Better Effect Index“ gibt einen Einblick darüber, wie nachhaltig jedes einzelne Produkt ist. Dieser selbstdefinierte Index bewertet die Kinnarps-Produkte hinsichtlich sechs wichtiger Nachhaltigkeitsaspekte: Rohmaterialien und Ressourcen, Klima, Reine Materialien, Soziale Verantwortung, Wiederverwendung und Ergonomie. Innerhalb dieser Kategorien gibt es insgesamt 20 Unterziele. Daraus ergibt sich eine Gesamtwertung von eins bis zur Bestnote drei. Der Better Effect Index dient als Instrument für nachhaltige Entscheidungen in der Innenarchitektur. Kunden können sich selbst ein Bild davon machen, wie nachhaltig unsere Produkte sind, und einsehen, wie sich unsere Bewertung der Produkte zusammensetzt.
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Capella: Die Mechanik des Bürodrehstuhls enthält 100 Prozent recyceltes Magnesium.
Nehmen Sie zum Beispiel das Material Re:fill: ein innovatives und im eigenen Hause entwickeltes Material, das als Füllstoff in Schallabsorbern eingesetzt wird – unter anderem im Raumteiler Prim. Re:fill ist zu 50 Prozent recycelt. Textilabfälle aus dem Kinnarps-Werk in Skillingaryd machen 25 Prozent aus und recycelte Kunststoffflaschen die restlichen 25 Prozent. Die Mechanik unseres Bürodrehstuhls Capella enthält 100 Prozent recyceltes Magnesium. Capella ist dafür vorgesehen, über viele Jahre Teil eines Arbeitsplatzes zu sein. Nach etlichen Jahren in Gebrauch kann seine Lebensdauer durch einen Austausch von Sitz, Rückenlehne, Kopfstütze oder Armlehne weiter verlängert werden.

Graziella Mimic