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Mittelstand voll unter Strom

Mittelstand voll unter Strom

Energie sparen

Die Energiekosten steigen so stark wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Der einzige Weg aus dieser Not geht über stringente Maßnahmen. Mit Blick auf Umwelt sowie auf Kostenentlastung und Wettbewerbsvorteile wird für Unternehmen das Thema Energieeffizienz zunehmend wichtig.
Doch der damit verbundene Aufwand und die dafür erforderlichen Ausgaben erweisen sich für viele mittelständische Unternehmen als eine schwere Bürde.

„Mit 70 Euro pro Megawattstunde (1.000 Kilowattstunden) haben die aktuellen Preise, zu denen Strom an der Großhandelsbörse in Leipzig zurzeit gehandelt wird, den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht“, berichtete Anfang Juli dieses Jahres die Tagesschau.de. Seit März 2020 entspreche dies sogar einer glatten Verdoppelung binnen eineinhalb Jahren.
So leuchtet es jedem ein: Investitionen in Einsparmaßnahmen gewinnen aufgrund der steigenden Energiepreise an Attraktivität. Diese Tendenz wird sich mit Sicherheit fortsetzen, da Energiewende, Ausstieg aus der Kernenergie und der vermehrte Einsatz regenerativer Energien eine weitere Zunahme der Kosten zur Folge haben werden.

Dies hat der Mittelstand auch verstanden. „Energieeffizienz wird für den deutschen Mittelstand zu einer immer wichtigeren Angelegenheit. Die Mehrheit der Unternehmen hat das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt und beschäftigt sich gezielt damit, die Energiekosten durch Energieeffizienzmaßnahmen zu verbessern“, kommentierte Peter Bartels, Vorstand und Leiter des Bereichs Familienunternehmen und Mittelstand bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) die Ergebnisse der 2015 durchgeführten Studie „Energiewende im Mittelstand“. Im Rahmen der Untersuchung hatten die PwC-Analysten branchenübergreifend 200 Führungskräfte mittelständischer Unternehmen mit einem Umsatz von 50 bis 500 Millionen Euro befragt.

Energieeffizienz an erster Stelle

Und auch eine Auswertung des KfW-Wettbewerbsindikators 2016 – dabei wurden mehr als 3.100 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in zehn wichtigen Volkswirtschaften Europas und der Welt auch zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR) interviewt – zeigte, dass sich für viele Mittelständler ein verantwortungsvolles und auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtetes Verhalten als wichtig erweist. Insbesondere der Bereich Umwelt nehme einen hohen Stellenwert ein: Die Verbesserung der Energieeffizienz komme mit 37 Prozent an erster Stelle auf diesem Gebiet, gefolgt von Klima- und Umweltschutz (32 Prozent) und der Verbesserung der Materialeffizienz (28 Prozent).
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Zunehmende Bedeutung: Energieeffizienz wird für den deutschen Mittelstand zu einem stets wichtigeren Thema.
„Die Notwendigkeit, den Klimawandel auf einen Temperaturanstieg von unter zwei Grad zu begrenzen, wurde vom Mittelstand erkannt“, bestätigte inzwischen der BVMW – Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands e.V. „Die kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen deshalb die Umstellung der Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad“, kommentiert das Netzwerk. Der Mittelstand fungiere als Motor der Energiewende und es seien vor allem mittelständische Unternehmen, die für Innovationen im Energiebereich sorgen und tagtäglich vor Ort den Umbau der Energieversorgung durch ihre Produkte und Dienstleistungen vorantreiben.

Es hat also den Anschein, als ob der Mittelstand in Sachen Energieeffizienz doch gar nicht so schlecht dastehen würde. Doch ist es wirklich so? Nehmen mittlere Unternehmen tatsächlich die Mühe und den Aufwand auf sich, die notwendig sind, um Energie zu sparen und somit spürbare Kostenentlastung und dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu schaffen?

Informationsdefizite

„Verantwortliche kennen zwar das Einsparpotenzial, aber nicht die Wege, um es zu erreichen – die größten Schrauben, um am Energiepreis zu drehen, nutzen nur wenige“, antwortet eine im Auftrag der unabängigen Energie-Einkaufsgemeinschaft e.optimum AG durchgeführte zweiteilige Untersuchung bestehend aus einer Feldstudie über 1.392 deutsche Firmen und einer repräsentativen Befragung von 262 Energieverantwortlichen in deutschen Unternehmen.

Wie wichtig das Thema Energiekosten in mittelständischen Unternehmen ist, sehe man laut der Studienverfasser bereits an der Tatsache, dass in knapp 60 Prozent der befragten Unternehmen der Geschäftsführer oder der Inhaber für den Energieeinkauf zuständig ist. In 24 Prozent der Fälle werde das Thema im allgemeinen Einkauf abgewickelt und nur etwa 9 Prozent hätten eine eigene Energieabteilung.

Immerhin sollen sich 75 Prozent der Entscheider über die ungenutzten Potenziale im Klaren sein und glauben, die Energiekosten ließen sich weiter senken, allem voran durch Verbrauchsverhalten und günstigere Energieanbieter. Und doch wechseln nur wenige Unternehmen regelmäßig den Anbieter, obwohl sie wissen, dass dies eine der Hauptmöglichkeiten ist, Kosten zu sparen.

Beratungsstellen wichtig

So haben der e.optimum-Befragung nach rund 38 Prozent einmal den Anbieter gewechselt, 32 Prozent mehr als einmal. Ganze 28 Prozent hätten dies in den vergangenen zehn Jahren nie getan. „Allein dieses Ergebnis zeigt, dass viele Unternehmen nicht aktiv versuchen, ihre Energiekosten zu senken“, schlussfolgern die Studienautoren. Die Wechselmüdigkeit führe zu hohen Energieausgaben.
Etwas widersprüchlich: „Knapp ein Viertel der mittelständischen Unternehmen geht davon aus, mindestens 5.000 Euro pro Jahr an Energiekosten sparen zu können, einige davon sogar bis zu 250.000 Euro“, fand die Umfrage heraus. Lediglich ein Viertel der Energieentscheider fühle sich jedoch über die Energie-Einsparpotenziale gut informiert. Nur wenige Unternehmen wüssten, wie sie die größten Faktoren des Energiepreises beeinflussen können – Steuern, Abgaben und Umlagen.
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Energie- oder Umweltbeauftragter: Untersuchungen haben gezeigt, dass in Betrieben, in denen ein Mitarbeiter für das Thema Energie und Umwelt verantwortlich ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz häufiger umgesetzt werden, als wenn es keinen gibt.
Hier kommen Beratungsstellen ins Spiel. „Da viele Unternehmen gerade bei Beratungs-, Finanzierungs- und Förderoptionen unzureichende Kenntnisse haben, sind sowohl Energieberater als auch die Unternehmen gefragt, diese Informationsdefizite abzubauen“, moniert der BMWi. „Die verschiedenen Angebote und Programme für alle Phasen – von der ersten Beratung bis zur Umsetzung – sollten nahtlos ineinandergreifen; dafür sind bessere Absprachen zwischen der Vielzahl von Akteuren gefordert.“

Energiemanagementkonzept

Darüber hinaus solle die öffentliche Hand bei der Konzeption von Förder- und Finanzierungsprogrammen enger mit Finanzinstituten kooperieren. Nur so lasse sich verhindern, dass Unternehmen, auch wenn sie Energieberatungen in Anspruch nehmen, die empfohlenen Maßnahmen jedoch nicht umsetzen, weil ihnen Informationen zur Finanzierung fehlen oder die Auswahlmöglichkeiten zu unübersichtlich sind.

Ein weiterer Grund für die unerschlossenen Potenziale in Sachen Energieeffizienz und somit das Verspielen von Kostenentlastungen und Wettbewerbsvorteilen liegt darin, dass viel zu wenige Betriebe im Rahmen eines durchdachten Energiemanagementkonzepts agieren. Obwohl etwas mehr als ein Drittel der Energieentscheider sicher plane, in nächster Zeit Energieeinsparmaßnahmen vorzunehmen, setzten drei Viertel der mittelständischen Unternehmen bis dato kein Energiemanagement-System ein, gibt die Untersuchung von e.optimum zu bedenken. „Das heißt im Umkehrschluss, dass nur ein Viertel der mittelständischen deutschen Unternehmen Energieverbrauch strukturiert plant und nach Ressourcen und Kostenschonung analysiert.“

Alles andere als hilfreich, denn die für den Erfolg von Energieeffizienzmaßnahmen notwendige Systematik kann nur ein konsequentes Energiemanagement schaffen. Nicht unerheblich ist auch der Einsatz eines Energie- oder Umweltbeauftragten. Untersuchungen haben festgestellt, dass in Betrieben, in denen ein Mitarbeiter für das Thema Energie und Umwelt verantwortlich ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz häufiger umgesetzt werden, als wenn es keinen gibt.

Mehr Transparenz bitte

„Energiekosten sind zunehmend ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, doch die Unternehmen lassen großes Einsparpotenzial ungenutzt“, lautet das Schlussfazit der e.Optimum-Studie zur Energiesituation im Mittelstand. Allein durch die Wahl eines an-deren Versorgers ließen sich für KMU in Deutschland 4,1 Milliarden Euro sparen. Nicht zuletzt würde ihnen eine erhöhte Wechselfreudigkeit ermöglichen, weitere Versorger dazu zu drängen, sinkende Strompreise an die Abnehmer weiterzugeben.

Doch Aufklärung tut not, da Energieentscheider in Unternehmen nicht genügend informiert sind. Hier sind sich die Experten sicher: Sowohl staatliche Institutionen als auch die Energieversorger selbst haben es in der Hand, für mehr Transparenz auf dem Strommarkt zu sorgen, indem sie Informationen über die Strompreisbildung zur Verfügung stellen.

Eins ist jedenfalls sicher: Unternehmen werden sich künftig mit ihrem Energieverbrauch intensiver befassen müssen. Für ihre Energiesituation müssen sie schließlich selbst einstehen. „Wenn die Energiekosten in Zukunft eine so entscheidende Rolle spielen wie angegeben, täten Unternehmen gut daran, eigens verantwortliche Positionen für Energie-Einkauf und -Management zu schaffen“, raten die Studienersteller. Denn auf den vollen Schreibtischen der Geschäftsführer und Inhaber finde das Thema doch nicht die nötige Aufmerksamkeit.

Graziella Mimic 

INFO

Mit der Bundesförderung für Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme können Unternehmen ihre Energieausgaben senken. Das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) übernimmt bis zu 80 Prozent der Kosten.

Wer wird gefördert?
Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Nicht-KMU mit jährlichem Gesamtenergieverbrauch unter 500.000 Kilowattstunden, freiberuflich Tätige, kommunale Gebietskörperschaften, kommunale Zweckverbände, soziale und gesundheitliche Einrichtungen, Kultureinrichtungen

Unternehmen haben die Wahl zwischen
  • einer Energieberatung für ihr Firmengebäude (Erstellung eines Sanierungskonzepts oder einer Neubauberatung),
  • einem Energieaudit, das Gebäude, Anlagen und Nutzerverhalten betrachtet, um Einsparpotenziale zu identifizieren und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz aufzuzeigen oder
  • einer Contracting-Orientierungsberatung mit deren Hilfe komplexe Einsparmaßnahmen überprüft und geeignete Dienstleister zu deren Durchführung gefunden werden können.
  • Ebenfalls gefördert wird die Beratung zur Einführung und Aufrechterhaltung eines Energiemanagementsystems.

Wie viel Zuschuss gibt es?
Wie hoch die Förderung der Energieberatung ist, hängt von dem gewählten Fördermodul ab:

1. Energieberatung in Form eines Energieaudits nach DIN EN 16247
Unternehmen, deren Energiekosten mehr als 10.000 Euro betragen, erhalten bis zu 80 Prozent des Beraterhonorars, maximal 6.000 Euro.
Unternehmen, deren jährliche Energiekosten unter der 10.000-Euro-Marke liegen, erhalten ebenfalls bis zu 80 Prozent der förderfähigen Kosten für die Energieberatung in ihrem Betrieb, maximal 1.200 Euro.

2. Energieberatung für Nichtwohngebäude nach DIN V 18599
Die Förderhöhe beträgt 80 Prozent des förderfähigen Beratungshonorars, maximal jedoch 8.000 Euro. Die genaue Höhe hängt von der Nettogrundfläche des betreffenden Gebäudes ab.

3. Contracting-Orientierungsberatung
Bei jährlichen Energiekosten von nicht mehr als 300.000 Euro beträgt die Förderung 80 Prozent des förderfähigen Beratungshonorars, jedoch maximal 7.000 Euro.
Übersteigen die jährlichen Energiekosten des betrachteten Gebäudes beziehungsweise Gebäudepools 300.000 Euro, beträgt die Förderung 80 Prozent des förderfähigen Beratungshonorars, jedoch maximal 10.000 Euro.

Unbedingt beachten
Die Energieberatung muss ein qualifizierter Experte durchführen. Unternehmen können qualifizierte Fachleute aus allen Branchen auswählen und dabei auch an bestehende Kontakte anknüpfen, sofern die hohen Qualifikationsanforderungen an eine Energieberatung erfüllt werden.

Der Weg zur Förderung
Nachdem der Energieberater einen Kostenvoranschlag erstellt hat, können Unternehmen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Zuschuss online beantragen und haben dann für die Durchführung der Beratung zwölf Monate Zeit. Der Zuschuss wird ausgezahlt, wenn innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der Beratung die Verwendungsnachweisunterlagen eingereicht wurden.