Nachhaltigkeit

Aktuelle Beiträge

Nachhaltigkeit: Wachstum am Pranger

Nachhaltigkeit: Wachstum am Pranger

Die Diskussion über den Interessenkonflikt zwischen wirtschaftlicher Freiheit und Nachhaltigkeit ist nicht neu. Doch sie gewinnt derzeit erneut an Brisanz und einige Fragen stellen sich: Kann hemmungsloses Wachsen die Umwelt zerstören? Wird ein konsequentes nachhaltiges Handeln am Ende jegliches ökonomisches Gedeihen verhindern? Oder gibt es einen Weg, um beides zu vereinbaren?

„Umwelt und Wirtschaft sitzen im gleichen Boot. Ohne intakte Umwelt gibt es keinen Wohlstand“, erklärte das Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft in seiner bereits 2005 herausgegebenen Broschüre (Umwelt-Materialien Nr. 198 – Ökonomie) „Wachstum und Umweltbelastung: Findet eine Entkopplung statt?“ Die natürlichen Ressourcen seien eine unverzichtbare Grundlage für die Wirtschaft. Umgekehrt sei eine gesunde Wirtschaft die unerlässliche Voraussetzung für die effektive Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen.

Auf die Frage, ob wir uns von weltweitem Wohlstand und dem Gedanken von sozialem Frieden verabschieden müssen, antwortete Tim Jackson bereits 2011 in seinem Buch „Wohlstand ohne Wachstum“ ebenfalls ganz klar mit „nein“. Stattdessen forderte er Leser und Entscheider auf, die Situation als Chance zu begreifen und tätig zu werden. Der Weg dahin gehe über eine andere Auffassung von Wohlstand, die sowohl die Befriedigung der Bedürfnisse und Wünsche der Menschen als auch die gerechte Verteilung von Waren und Dienstleistungen vorsehe. Vorrangiges Ziel seines Buches sei es gewesen, brauchbare Auswege aus der größten Zwickmühle unserer Zeit zu finden – und unser Streben nach einem guten Leben mit den Grenzen eines endlichen Planeten zu versöhnen, beschrieb der Autor selbst sein Anliegen beim Verfassen des Werks.

This image for Image Layouts addon
Ernstes Dilemma: Ohne natürliche Ressourcen keine funktionierende Wirtschaft; ohne gesunde Wirtschaft keine Mittel für effektive Umweltschutzmaßnahmen.

Ungelöstes Problem

Jahre danach ist das Problem immer noch ungelöst, das Thema umso akuter geworden. „Die heutige Wirtschaftsweise zerstört die natürlichen Lebensgrundlagen und untergräbt dadurch den Wohlstand kommender Generationen“, schrieb im vergangenen Juni das Umweltbundesamt auf seiner Website und meinte damit etwa die großflächige Abholzung von Wäldern, die Überfischung der Meere oder den Verlust fruchtbarer Ackerböden. „Allein die Folgekosten durch den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt könnten sich im Jahr 2050 auf rund ein Viertel des weltweiten Bruttosozialprodukts belaufen.“ Ein „Weiter so“, bei dem die Industrieländer ihre ressourcenintensive Wirtschaftsweise beibehalten und die Entwicklungs- und Schwellenländer diese Wirtschaftsweise übernehmen, stelle keinen gangbaren Weg dar. 

In der Tat hat die methodische Zerstörung der natürlichen Ressourcen, die seit vielen Jahrzehnten stattfindet, mittlerweile ein solches Ausmaß erreicht, dass ein weiteres Bestehen unserer Wirtschaftssysteme infrage gestellt und die Zukunft der nächsten Generationen stark beeinträchtigt wird. Zwar warnen Experten schon lange vor den Folgen, wie unter anderem die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO), in wiederkehrenden, beunruhigenden Berichten und dringenden Appellen. Und nicht zuletzt sollten uns die sich immer häufiger ereignenden Naturkatastrophen überall in der Welt ein Ansporn sein, uns etwas intensiver als bisher mit der Umweltfrage zu beschäftigen.

Rechtlichen Rahmen schaffen

Klar, die meisten von uns haben es verstanden und stufen die Lage als sehr ernst ein. Und auch der Gesetzgeber versucht seit geraumer Zeit, anhand von Standards und anderen Regularien das Problem in den Griff zu bekommen. So steigt die Anzahl der Richtlinien, die Herstellern vorschreiben, was sie bei der Fertigung, der Entsorgung und dem Recycling ihrer Produkte beachten müssen. Nicht zuletzt soll das Lieferkettengesetz (LkSG), das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, einen rechtlichen Rahmen schaffen, um den Schutz der Umwelt sowie Menschen- und Kinderrechte entlang globaler Lieferketten zu verbessern. Das LkSG betrifft ab 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 2024 auch solche mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden im Inland.
This image for Image Layouts addon
Nachhaltigere Wirtschaft: Sie käme nicht nur dem Schutz unserer Umwelt zugute, sondern trüge auch dazu bei, die Abhängigkeit von Energielieferanten aus Problemstaaten zu verringern und der Politik moralische Konflikte zu ersparen.
Was die Verbraucher angeht, sollen Umweltzeichen wie beispielsweise der Blaue Engel, der Schwan oder die Euro-Blume die nötige Orientierung geben. Im Grunde stellen sie einen lobenswerten Ansatz dar, würde nicht die inzwischen etwas unübersichtlich gewordene Sammlung an immer zahlreicheren Ökolabels die Konsumenten überfordern und immer wieder für Verwirrung sorgen.

Viel konkreter gestalten sich Unterstützungsmaßnahmen wie etwa die „Energieberatung Mittelstand“, ein Förderprogramm des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dabei hilft der Bund kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit Zuschüssen bei der Inanspruchnahme qualifizierter Energieberatungen – diese sollen dazu dienen, Informationsdefizite abzubauen, Einsparpotentiale zu identifizieren und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im Unternehmen aufzuzeigen.

Bei den geförderten Energieberatungen handelt es sich um hochwertige Energieaudits im Sinne der EU-Energieeffizienzrichtlinie. Für Unternehmen mit jährlichen Energiekosten über 10.000 Euro beträgt die Zuwendung 80 Prozent der förderfähigen Beratungskosten, jedoch maximal 6.000 Euro. Für Unternehmen mit jährlichen Energiekosten von maximal 10.000 Euro beträgt die Zuwendung 80 Prozent der förderfähigen Beratungskosten, jedoch maximal 1.200 Euro.

Ökologische Modernisierung

Antragsberechtigt sind kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und des sonstigen Dienstleistungsgewerbes sowie Angehörige der Freien Berufe mit Sitz und Geschäftsbetrieb in Deutschland, die weniger als 250 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von nicht mehr als 50 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von nicht mehr als 43 Millionen Euro haben.

Doch der vom Umweltbundesamt mit Nachdruck geforderte Übergang zu einer Green Economy bedeutet etwas mehr als solche einzelnen Hilfestellungen. Vielmehr verlangt er eine umfassende ökologische Modernisierung der gesamten Wirtschaft. Insbesondere Ressourcenverbrauch, Emissionsreduktion, Produktgestaltung sowie Umstellung von Wertschöpfungsketten müssten laut UBA geändert werden.
This image for Image Layouts addon
Green Economy: Sie verlangt eine umfassende ökologische Modernisierung der gesamten Wirtschaft.
So werde die Steigerung der Energie- und Materialeffizienz im 21. Jahrhundert voraussichtlich zu einem entscheidenden Faktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Durch den Anstieg der Weltbevölkerung und die wirtschaftlichen Aufholprozesse in Entwicklungs- und Schwellenländern wird die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen weiterwachsen“, erläutert das UBA. Diese Nachfrage lasse sich bei begrenzten natürlichen Ressourcen auf Dauer jedoch nur befriedigen, wenn es gelinge, „mehr“ mit „weniger“ herzustellen. Und dies bedeute schließlich, Wirtschaftswachstum und die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen zu entkoppeln.“ Daher wachse der Druck, Umwelt- und Effizienztechniken einzusetzen und fortzuentwickeln.

Eine nachhaltigere Gestaltung der Wirtschaft würde übrigens nicht nur dem Schutz unserer Umwelt dienen, sondern trüge auch dazu bei, die Abhängigkeit von Energielieferanten aus Problemstaaten zu verringern und der Politik moralische Konflikte zu ersparen.

Sicher ist: Die ökologische Logik lässt sich nicht so einfach mit dem Streben nach unendlichem Wachstum vereinbaren. Deshalb sollten sich Entscheidungsträger stets die Begrenztheit der Ressourcen vor Augen halten. Das bedeutet längst nicht, dass die freie Wirtschaft ausgedient hat, sondern dass ökonomische und finanzpolitische Interessen und Handlungen im Einklang zueinanderstehen und Bestandteil einer Strategie sein sollten, und dies über die nächste Legislaturperiode hinaus – Nachhaltigkeit eben.

Graziella Mimic

Das Lieferkettengesetz im Überblick:

  • Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland zur Achtung von Menschenrechten durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten.

  • Zu den Kernelementen der Sorgfaltspflichten gehört die Einrichtung eines Risikomanagements, um die Risiken von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren. Das Gesetz legt dar, welche Präventions- und Abhilfemaßahmen notwendig sind, verpflichtet zu Beschwerdeverfahren und regelmäßiger Berichterstattung.

  • Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf den eigenen Geschäftsbereich, auf das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Damit endet die Verantwortung der Unternehmen nicht länger am eigenen Werkstor, sondern besteht entlang der gesamten Lieferkette.

  • Das Gesetz gilt ab 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 2024 auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 ArbeitnehmerInnen im Inland.

  • Das Lieferkettengesetz enthält einen abschließenden Katalog von elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen. Aus den dort geschützten Rechtsgütern werden Verhaltensvorgaben bzw. Verbote für unternehmerisches Handeln abgeleitet, um eine Verletzung geschützter Rechtspositionen zu verhindern. Dazu zählen insbesondere die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, die Missachtung des Rechts, Gewerkschaften bzw. Mitarbeitervertretungen zu bilden, die Verwehrung des Zugangs zu Nahrung und Wasser sowie der widerrechtliche Entzug von Land und Lebensgrundlagen.

  • Kommen Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nach, können Bußgelder verhängt werden. Diese können bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Außerdem ist es bei einem verhängten Bußgeld ab einer bestimmten Mindesthöhe möglich, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden.

  • Das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) wird das Lieferkettengesetz ab dem 1. Januar 2023 in seiner neuen Außenstelle in Borna umsetzen. Für die Überwachung des Lieferkettenmanagements der Unternehmen wird die Behörde mit effektiven Durchsetzungsinstrumenten ausgestattet. So hat das BAFA weitgehende Kontrollbefugnisse. Es kann etwa Geschäftsräume betreten, Auskünfte verlangen und Unterlagen einsehen sowie Unternehmen auffordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten vorzunehmen und dies durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchsetzen.

  • Um die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten zu unterstützen, entwickelt und veröffentlicht das BAFA Handreichungen. Die Handreichungen stellt das BAFA auf seiner eigenen Webseite zum Lieferkettengesetz unter www.bafa.de/lieferketten bereit.