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Inkasso: Gute Zahler, schlechte Zahler

Inkasso: Gute Zahler, schlechte Zahler

Immer wieder sehen sich Unternehmen mit offenen Forderungen und den daraus resultierenden Liquiditätseinbußen konfrontiert. In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs nimmt die Gefahr für sie zu, aufgrund von Zahlungsverzögerungen oder -ausfällen in Schieflage zu geraten – so auch in der aktuellen Krise. Welchen Einfluss hat die derzeitige Coronapandemie auf das Zahlungsverhalten von Kunden? 

Haben Betriebe mit einem unzuverlässigen Zahlungsverhalten ihrer Kunden zu kämpfen, geraten sie in eine für sie existenzbedrohende Lage. In Rezessionszeiten, wie wir sie jetzt im Zuge der Coronapandemie erleben, ist die Gefahr akut, durch säumige Kunden ernsthafte Probleme zu bekommen. Zu den üblichen Umsatzeinbußen, die ein wirtschaftlicher Abschwung mit sich bringt, kommen dann Außenstände aufgrund nicht beglichener Rechnungen hinzu. Dies liegt nicht zuletzt der Tatsache zugrunde, dass viele Firmen in guten Zeiten es vergessen, sich regelmäßig um ihr Forderungsmanagement zu kümmern, was manche Kunden dazu verführt, auf eigene Faust die Zahlungsziele zu dehnen. Schwächelt die Konjunktur, wird ihnen diese Leichtfertigkeit zum Verhängnis.

Extreme Nachlässigkeit

Insbesondere Mittelständler tendieren dazu, die geschäftsschädigenden Folgen eines nicht konsequent geführten Debitorenmanagements zu unterschätzen. Viele von ihnen scheinen zudem nicht zu wissen, dass säumige Schuldner in erster Linie an Gläubiger zahlen, die sich hartnäckig zeigen und ihre Forderungen mit Nachdruck anmahnen. Ein weiterer Grund für den nachsichtigen Umgang mit der Einziehung offener Forderungen sind die im Mittelstand nicht selten persönlich geprägten Geschäftsbeziehungen. Das überaus gute Verhältnis zum Geschäftsfreund möchte man nicht trüben, trotz erster Anzeichen einer Krise.

Paradoxe Situation

Nun haben wir eine Krise. Und wie ist es mit dem Zahlungsverhalten von Kunden? Gar nicht so schlecht sieht es im Verbraucherbereich aus, glaubt man einer neuen Trendumfrage des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) unter gut 500 Inkassodienstleistern. Demnach sei die finanzielle Situation der privaten Haushalte auch im zweiten Jahr der Coronapandemie gut und stabil. „Die Situation ist durchaus paradox. Zwar leiden viele Verbraucherinnen und Verbraucher unter den ökonomischen Folgen der Coronakrise. Aber obwohl Jobverluste oder Kurzarbeit manche Einkommen reduzieren, haben die Privathaushalte keine größeren Verschuldungsprobleme bekommen“, erklärt Kirsten Pedd, Präsidentin des BDIU. „Das ist im Inkassogeschäft deutlich spürbar. Die an unsere Mitgliedsunternehmen übergebenen Fälle haben zuletzt sogar eher abgenommen.“
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Schlechtes Forderungsmanagement: Es ist, neben Fehlentscheidungen des Managements sowie einer unzureichenden Auftragslage, einer der Hauptgründe für den Zusammenbruch einer unternehmerischen Existenz.
In der Tat hätte mehr als die Hälfte der Inkassounternehmen berichtet, dass die Stückzahl der an sie übergebenen Forderungen im laufenden Jahr 2021 unter dem Niveau des Jahres 2020 liege. Das Forderungsvolumen, also die Geldwertsumme, die Gläubigerinnen und Gläubiger insgesamt zur Einziehung an die Rechtsdienstleister weiterreichen, sei laut 42 Prozent der Umfrageteilnehmer ebenso leicht rückläufig. Fast genauso viele – 39 Prozent – sagten, das an sie übergebene Forderungsvolumen an offenen Rechnungen verändere sich derzeit kaum. 

„Viele Menschen haben die pandemiebedingt eingesparten Konsumausgaben in eine Entschuldung gesteckt und konnten sich so konsolidieren“, gibt Pedd den Grund für dieses robuste Zahlungsverhalten. Hier hätten Inkassounternehmen oft zu einer Lösung beigetragen. Ein wichtiges Instrument dafür sei das Gewähren von Ratenzahlungsmöglichkeiten. Aktuell komme es vermehrt zum Einsatz, wie 52 Prozent in der Umfrage bestätigen. Ratenzahlungen seien sinnvoll, um langfristige Lösungen mit den Betroffenen zu erzielen.

Liquiditätsengpässe

Der Hauptgrund dafür, dass private Schuldner mit Zahlungen in Rückstand geraten, ist laut Angaben von 73 Prozent der Inkassounternehmen des BDIU die Tatsache, dass sie sich in Kurzarbeit befinden. Auch durch die Coronakrise ausgelöste vorübergehende Liquiditätsengpässe (69 Prozent) beeinträchtigten die private Rechnungstreue. „Immerhin liegen in diesen Fällen keine nachhaltigen finanziellen Probleme vor“, erläutert Pedd. „Individuell angepasste Zahlungsvereinbarungen und kurzfristige Aufschübe spielen im Inkasso seit Ausbruch der Pandemie eine größere Rolle. Damit kommen wir Menschen entgegen, die wegen der wirtschaftlichen Einschränkungen lediglich temporär weniger Geld zur Verfügung haben.“
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Säumige Zahler: Die Hauptgründe, weshalb gewerbliche Schuldner aktuell nicht zahlen, sind laut Experten durch die Coronakrise ausgelöste Liquiditätsengpässe (83 Prozent) sowie Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden.
Jedoch sei in den kommenden Monaten aufgrund des Inkrafttretens von bereits vor Längerem beschlossener Gesetzesänderungen mit einem deutlichen Anstieg bei den Verbraucherinsolvenzen zu rechnen. Überschuldete Privatpersonen können inzwischen bereits innerhalb von drei statt vorher sechs Jahren eine sogenannte Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens erlangen. Viele überschuldete Haushalte hätten mit einem Antrag gewartet, um von der neuen Rechtslage und einem beschleunigten Entschuldungsverfahren zu profitieren, erklärt die Inkassopräsidentin. Dieser Rückstau löse sich nun auf.

Die Lage bei vielen privaten Haushalten ist also gar nicht so dramatisch, wie man mit Blick auf die derzeitige Krise annehmen könnte. Im Business-to-Business-Bereich hingegen wird die Situation zunehmend besorgniserregend und Unternehmen haben mit ernsthaften Problemen zu kämpfen. Besonders betroffen von einer schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden sind nach Erfahrung der Rechtsdienstleister die Dienstleistungsbranche allgemein (50 Prozent), Fitnessstudios (44 Prozent) sowie die Immobilienwirtschaft beziehungsweise Vermieter (36 Prozent – bei dieser Umfrage sind Mehrfachantworten möglich). Die Hauptgründe, warum gewerbliche Schuldner aktuell nicht zahlen, seien durch die Coronakrise ausgelöste Liquiditätsengpässe (83 Prozent) sowie Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden (73 Prozent) – das sei der Dominoeffekt, bei dem sich ein Forderungsausfall entlang der Lieferketten fortsetzt und so mehrere Akteure in Mitleidenschaft zieht.

INFO

Um Verbraucher vor unverhältnismäßigen Inkassokosten besser zu schützen und somit einerseits
wirtschaftlich sinnvolles Inkasso zu ermöglichen, andererseits Schuldner zu entlasten, hat die
Bundesregierung einen Gesetzentwurf erarbeitet. Wichtige verbraucherrelevante Teile des Gesetzes
sollen zum 1. Oktober 2021 in Kraft treten.


Der Gesetzentwurf sieht Maßnahmen zwecks eines wirksamen, aber auch fairen Inkassos vor. So soll unter anderem das Problem gelöst werden, dass die derzeitigen Inkassokosten im Verhältnis zum Aufwand und der zugrunde liegenden Forderung meist zu hoch sind – insbesondere mit Blick auf die Coronapandemie ein wichtiger Punkt, da viele Verbraucher infolge von beispielsweise Kurzarbeit unverschuldet in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten.
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Wie sehen die Erleichterungen für die Verbraucher konkret aus?

  • Verbesserungen soll es insbesondere auch bei kleinen Forderungen geben, bei denen derzeit die Inkassokosten die Forderungen häufig deutlich überschreiten. Es soll eine neue Wertstufe für Kleinforderungen bis 50 Euro eingeführt werden, bei der die Gebühr statt bisher 45 Euro nur 18 bis 36 Euro beträgt.
  • Im Regelfall soll die Geschäftsgebühr für die Einziehung einer unbestrittenen Forderung auf einen Gebührensatz von 0,9 beschränkt werden.
  • Die Einigungsgebühr für den Abschluss von Zahlungsvereinbarungen soll bei Forderungen bis 500 Euro um etwa die Hälfte gesenkt werden.
  • Eine Kostendopplung durch eine – im Laufe des vorgerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Mahnverfahrens häufig zu beobachtende – Beauftragung von sowohl Inkassodienstleistern als auch Rechtsanwälten soll künftig ausdrücklich ausgeschlossen werden.
  • Die Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern gegenüber Rechtsanwälten bei der Geltendmachung von Kosten im gerichtlichen Mahnverfahren soll abgeschafft werden.

Alle Änderungen bei den Inkassogebühren werden voraussichtlich zu einer Senkung dieser Gebühren um etwa 20 Prozent führen. Dies soll den Verbrauchern zugutekommen und hauptsächlich von den Inkassodienstleistern zu tragen sein.

Mehr Transparenz
Zukünftig sollen Verbraucher schon im Vorfeld darauf hingewiesen werden, welche Kosten eines Inkassodienstleisters oder eines Rechtsanwalts im Falle eines Verzugs auf sie zukommen.
Verbraucher müssen künftig vor dem Abschluss von Zahlungsvereinbarungen auf die dadurch entstehenden Kosten hingewiesen werden. Darüber hinaus sind sie vor der Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über die Rechtsfolgen eines solchen aufzuklären.
Zudem müssen Inkassodienstleister Schuldner künftig schon beim ersten Kontakt in der Regel unter anderem darüber informieren, in wessen Auftrag sie handeln, um welchen Vertrag genau es geht und welche Kosten bei Verzug entstehen könnten.

Identitätsdiebstahl
Verbraucher, die Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden sind, zum Beispiel durch Warenbestellungen Dritter auf ihren Namen im Internet, werden künftig besser geschützt. Sie müssen in dem Fall, dass ihre Anschrift vom Inkassodienstleister durch eine Adressermittlung in Erfahrung gebracht wurde, auf diesen Umstand hingewiesen werden. Zudem ist ihnen mitzuteilen, wie sie auf den Fehler gegenüber dem Inkassodienstleister hinweisen können.

Sonstige Änderungen
Mit dem Gesetzentwurf soll unter anderem die Aufsicht über Inkassounternehmen gestärkt werden. Inkassodienstleister und Rechtsanwälte müssen gegenüber Verbrauchern künftig die für sie zuständige Aufsichtsbehörde angeben.
Zudem enthält der Entwurf Änderungen, die infolge des EU-Austritts von Großbritannien erforderlich sind, und betrifft die hier niedergelassenen europäischen Anwältinnen und Anwälte.

Quelle: Die Bundesregierung

B2B-Bereich betroffen

„Im Business-to-Business-Bereich zeigen sich die Negativ-Folgen der Pandemie schon eher. Es ist zu befürchten, dass es bei den Unternehmen in den nächsten Monaten verstärkt zu Zahlungsausfällen und leider auch zu mehr Insolvenzen kommen wird“, erörtert Pedd und verweist auf die wieder in Kraft getretene Insolvenzantragspflicht für überschuldete Firmen. „Das Aussetzen dieser Antragspflicht hat zusammen mit den staatlichen Corona-Hilfszahlungen viele Existenzen vorübergehend gesichert. Das waren gute Maßnahmen für den Erhalt wirtschaftlicher Stabilität. Aber sie können das Unvermeidliche nicht unbegrenzt aufschieben.“
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Dominoeffekt: Häufig setzen sich Forderungsausfälle entlang einer Lieferkette fort und ziehen somit mehrere Akteure in Mitleidenschaft.
Es gilt, die Lieferketten vor Dominoeffekten zu schützen. Dafür müssen Unternehmen ohne Aussicht auf Konsolidierung nun einen Insolvenzantrag stellen. In manchen Sektoren wie dem Tourismus, der Gastronomie, dem Einzelhandel, der Kultur sowie im Sport- und Freizeitbereich werde das laut der BDIU-Verbandschefin zu spüren sein. So rät sie Firmen als notwendige Präventionsmaßnahme zu einem nachhaltigen und konsequenten Forderungsmanagement: „Es kommt darauf an, die Liquidität der Geschäftspartner zu kennen, um Risiken für Zahlungsausfälle so abschätzen zu können. Tritt Verzug ein, ist eine konsequente Lösungssuche gefragt. Ein schlechtes Forderungsmanagement ist, neben Fehlentscheidungen des Managements sowie einer unzureichenden Auftragslage, einer der Hauptgründe für den Zusammenbruch einer unternehmerischen Existenz.“

Und in der Tat versetzt ein professionelles Forderungsmanagement Unternehmen in die Lage, sich vor gefährlichen Außenständen zu schützen. Mit der Unterstützung von seriösen Inkassodienstleistern, die zwischen Gläubigern und Schuldnern vermitteln und angemessene Lösungen vorschlagen, wie Letztere ihre Verbindlichkeiten abtragen können, schaffen sie es dann, trotz Krise ihre Liquidität und somit ihr weiteres Bestehen zu sichern.

Graziella Mimic